Lebenspraxis | Ein Einsichts- und Lebenserfahrungs-Blog zu Achtsamkeit
Dagegen ist dafür
In der Achtsamkeitspraxis versuchen wir uns zu öffnen für all das, was an Erfahrung in unserem Leben gerade auftaucht. Wir versuchen mit alledem annehmend umzugehen, wollen es nicht verdrängen oder bekämpfen. Von Kind auf lernen die meisten Menschen eine solche Haltung nicht, ganz im Gegenteil.
Business as usual …
Üblicherweise lernen wir auf unserem Weg zum Erwachsenen, dass wir bestimmte Dinge bekämpfen müssen, um unseren Weg zu gehen und uns durchzusetzen. Wir bekommen auch einen ganz bestimmten kontrollierenden oder unterdrückenden Umgang mit Gefühlen antrainiert, z. B. über Aussagen wie „Männer weinen nicht.“ Wir lernen uns zu kontrollieren und uns konform zu bestimmten Normen oder Konventionen zu verhalten. Wir lernen das, was aus dem Rahmen fällt, zu unterdrücken. Das hier kennen Sie sicher: Wir begegnen Bekannten oder Freunden, es wird gefragt „Wie geht‘s?“. Sie werden selten die Antwort hören „Mir geht‘s nicht gut.“ und entsprechende Ausführungen. Mitzuteilen, wie es uns manchmal wirklich geht, ist vielfach geradezu verpönt. Man will nichts Negatives hören. Bitte keine schlechte Laune vermitteln, wir wollen alle positiv und optimistisch erscheinen. Wir orientieren uns an bestimmten Normen, an gesellschaftlich anerkannten und geteilten Überzeugungen. Wir verhalten uns, wie man sich üblicherweise verhält. Nein, das da sein zu lassen, was tatsächlich da ist, ist nicht die übliche Haltung von Menschen in der heutigen Gesellschaft.
actio = reactio. Achtsamkeit ist eine gute Idee!
Warum ist es dennoch eine gute Idee, Dinge anzunehmen und erst mal so sein zu lassen, wie sie eben sind? Warum also ist dieser achtsame Umgang mit den Gegebenheiten in unseren Lebensumständen und in unserer Befindlichkeit ratsam? Weil „dagegen“ nichts anderes als „dafür“ ist!
Tatsächlich ist es so: Wenn wir unangenehme Dinge los werden wollen, z. B. Ängste, Schmerzen, Situationen, die wir nicht mögen, was auch immer … dann erklären wir genau dieses Unliebsame zu etwas von Belang. Es ist bedeutend, es ist schlimm und bedrohlich. Wir sind geradezu darauf fokussiert, es zu vermeiden. In Wirklichkeit machen wir das Unliebsame dadurch in unserer Wahrnehmung und unserem Empfinden nur noch größer und wir verstärken es. Je mehr wir es los werden wollen, desto stärker betonen wir seine Gewichtigkeit. Das ist nichts anderes als ein Festhalten daran! Ja, wir halten das Unliebsame auf diese Art und Weise fest und verstärken es. Unser „dagegen“ wird geradezu zur Förderung des Unliebsamen, zum „dafür“. Das ist eine Art physikalisches Gesetz. Aus dem Physikunterricht der gymnasialen Oberstufe erinnere ich heute kaum etwas. Ein Ausspruch meines Physiklehrers ist mir aber hängen geblieben: „Actio ist gleich reactio. Mit der Kraft, mit der ich gegen die Wand drücke, drückt die Wand zurück.“ Genau dieses Prinzip ist hier am Werk, wenn „dagegen“ zum „dafür“ wird.
Alles hat seine Zeit …
Was ist der natürliche Lauf der Welt? Dinge oder Wesen erscheinen in dieser Welt (Geburt), bleiben für eine gewisse Zeitspanne (Leben) und gehen dann von alleine wieder (Tod). Alles, was in die Welt kommt, vergeht auch wieder. Wenn kleine Kinder weinen, wenn die Emotionen bei ihnen ungehemmt hervorbrechen, dann kann es sein, dass dieser Zustand ganz schnell wieder vergeht und abrupt umschlägt, wenn das Kind auf etwas stößt, das ihm Freude bereitet. Sie haben sicher schon beobachtet, wie schnell emotionale Zustände bei Kindern wechseln können. Ohne, dass sie wie beim Erwachsenen kontrolliert werden, kommen sie und gehen relativ schnell wieder auf eine natürliche Art und Weise. Wir sehen daran, dass manches emotional Bewegende eigentlich schnell wieder vergehen kann, wenn es denn seinen natürlichen Lauf nehmen darf. Wenn es da sein darf, wenn es da ist, dann geht es auch wieder von alleine. Ein kleines Kind kontrolliert das nicht. Und das ist der Unterschied: Der Versuch, Dinge abzuwehren, sie zu verdrängen oder sie zu vermeiden greift in den natürlichen Lauf der Dinge ein. Die natürliche Zeitspanne und die Intensität der unangenehmen Dinge wird dadurch vergrößert. Unser Widerstand gerät zum Festhalten.
„The way out is the way in“ – Mr. Ramesh
„Dagegen“ ist „dafür“! Könnte es vielleicht wirklich eine gute Idee sein, eine achtsame, akzeptierende Haltung gegenüber unseren Lebenserfahrungen einzunehmen? „The way out is the way in.“ erläutert auch Mr. Ramesh in dem kurzen, herrlichen Video auf meiner Seite Links. Was meinen Sie?
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