Lebenspraxis | Ein Einsichts- und Lebenserfahrungs-Blog zu Achtsamkeit
Alles okay …
Wir Menschen, jedenfalls die allermeisten, sind Getriebene, Suchende. Immer und immer wieder sind wir unterwegs zu einem Ziel. Weg von dort, wo wir sind, hin zum verheißungsvollen Ziel. Letztlich suchen wir Glück, Erfüllung, Liebe … und letzten Endes vor allem auch uns selbst.
Macht nicht unser Suchen offenbar, dass wir gewisse Schwierigkeiten und Probleme haben mit der gegenwärtigen Situation und den Umständen? Ja, nach unserem Empfinden, sollte es vermeintlich anders sein. Was aber wäre, wenn hier, wo wir sind, gar nichts falsch wäre und wir nirgendwohin müssten, nichts suchen müssten? Was, wenn das, was uns die Schwierigkeiten und Probleme verursacht, nur eine irrige Annahme wäre, nämlich, dass wir genau das denken: Das hier ist es nicht, das ist nicht das Richtige. Tatsächlich ist es unsere bewertende Haltung, die uns in Konflikt bringt mit unserem Dasein in einem bestimmten Lebensmoment.
What’s Wrong with Right Now … Unless You Think About It? („Sailor“ Bob Adamson)
Wenn Sie Zweifel haben, dann versuchen Sie einmal dies hier: Verweilen Sie ohne Bewerten im gegenwärtigen Moment. Wenn es uns gelingt, stellen wir fest, dass genau in diesem Moment alles okay ist. Es gibt kein Problem. Tatsächlich kann sogar die anrührende Vielfalt, Frische und Fülle des Moments spürbar werden und Glücksgefühle aufsteigen lassen. In Wirklichkeit ist also alles okay!
Es sollte anders sein …
Auch unter einem anderen, die Entwicklung der Lebenserfahrungen, einbeziehenden Aspekt sollte und kann tatsächlich nichts anders sein! Es kann nur genau so sein, wie es sich entwickelt hat, wie es geworden ist. Und in diesem Prozess versuchen wir doch immer wieder, alles richtig zu machen. Keiner tut doch absichtlich etwas, das er für falsch und im Moment für nicht angezeigt empfindet. Allenfalls passiert uns so etwas versehentlich. Ja, wir möchten immer das Bestmögliche tun. Vergessen wir nicht die Umstände, die auf uns einwirken. Sie bewirken etwas. Jeder weiß, dass es ihm meist bei Sonnenschein besser geht als bei trübem Wetter. Wenn eine bestimmte Situation gemeinhin einen schwierigen und eher leiderzeugenden Charakter hat, dann ist sie eben eher leidvoll und nicht schön. Auch Umstände drängen uns in eine bestimmte Richtung. Natürlich drängt uns der ganze Trend unserer Geschichte, das Geworden-Sein unserer Persönlichkeit ebenso in eine Richtung. Und so können wir eben nicht anders als so, wie es dann aufgrund all dessen kommt. Aber daran ist nichts falsch! Wir sind völlig in Ordnung, es kann nur einfach nicht anders sein. Nur die Vorstellung, etwas sei falsch, macht hier das Problem. Durch dieses Denken sind wir uneins mit uns selbst. Fällt dieses Denken weg, sind die Umstände nicht besser, aber wir stehen plötzlich ganz anders dazu und es geht uns damit besser.
Das Glück jenseits des „Bewertens“
In all das, was wir suchen und anstreben, nehmen wir im Übrigen uns selbst mit. Das Glück und die Erfüllung, die wir suchen, hängt nicht vom Erhalt der Dinge ab, die wir erreichen möchten. Die Frage ist: Können wir mit dem, was wir haben, in Frieden sein? Wir sollten unseren Blick auf das richten, was uns uneins sein lässt mit unserem Leben: Das Bewerten! Wenn wir beherzigen, was oben ausgeführt wurde, können wir mit uns selbst und dem Leben mehr in Einklang kommen. Und vielleicht gelangen wir dann auch zur Einsicht, dass wir nie etwas anderes finden können als uns selbst. Wir können aus uns selbst heraus durch die Art und Weise einer bewertenden Sichtweise in Konflikt sein mit unserem Dasein oder wir können aus uns selbst heraus, ohne zu bewerten, zunehmend in Frieden und glücklich sein mit unserem Leben. Doch woher kommt dann dieses Glück? Das Glücksempfinden kommt aus uns selbst, nicht aus Dingen, die wir erhalten. Glück gehört zu unserem Wesenskern und tritt in den Vordergrund, wenn wir hier, ganz im lebendigen Moment, sind. Und wenn wir in Frieden mit uns und den Lebensumständen sind. Es gibt nichts anderes zu finden als das, was wir eigentlich schon sind. Sich selbst zu sein bedeutet tatsächlich voll und ganz ein „Ja“ zu sagen zu sich selbst, eben auch zu alledem, was wir bislang als falsch betrachtet haben, alles, was scheinbar schief lief und nicht richtig war. Nein, es war eigentlich nichts falsch und nichts richtig, es war nur so, wie es eben nur sein konnte. Es ist einfach nur so, wie es ist … eigentlich okay.
Beginnen, wo wir schon sind …
Wir müssen nicht einmal lieben, was uns nicht gefällt. Das Einssein beginnt zum Beispiel damit, anzunehmen, dass wir manchmal einfach unglücklich sind mit den Dingen, so wie sie sind, dass auch unser Hadern natürlicherweise aufkommt und somit grundsätzlich in Ordnung ist. Genau an diesem Punkt ist der Anfang. Wenn wir vollends mit uns einverstanden sein können, beginnt die Veränderung. Dabei müssen wir nirgendwohin: Das hier sind wir, mehr muss nicht sein. Ich bin schon. Ich bin schon so, wie ich nur sein kann. Ich bin schon ganz ich selbst. Ich möchte mir selbst zuweilen sacht ins Ohr flüstern: „‘Ruhig Brauner.‘ Alles okay, alles ist okay …“
Dies ist unter anderem ein Plädoyer dafür, mit uns selbst in Frieden zu sein, weil wir nun mal sind, wie wir entwicklungsbedingt momentan nur sein können. Natürlich ist dies eine Verallgemeinerung, die Sonderfälle außer Acht lässt. Bitte kein Statement für ein unethisches Handeln herauslesen! Beispielsweise zu denken, „Wenn alles okay ist, was ich tue, dann kann ich ja auch die nächste Bank überfallen.“, wäre eine irrige Sichtweise und würde sicher eine Vielzahl von Schwierigkeiten generieren. Wenn wir auf diese schiefe Bahn geraten, dann verfallen wir gewissen Ego-Tendenzen, die uns in Wahrheit nicht wirklich entsprechen.
Wer in der Vergangenheit Dinge getan hat, die vielleicht sogar den ‚normalen‘ Rahmen von Menschlichkeit sprengen, Taten, die womöglich gesellschaftlich geächtet und mit Strafe bedroht sind, kann natürlich schwerlich davon ausgehen, dass alles okay war, was er getan hat. Und wenn ein Mensch für eine Handlung, von der er weiss, dass sie mit Strafe bedroht ist, dann auch bestraft wird, dann ist das Beklagen der Bestrafung gewiss unbegründet. Es sind besondere und oft verfahrene Konstellationen, in denen einzelne Menschen extremen widersinnigen Tendenzen verfallen. Auch ein solcher Mensch ist als Person natürlich einfach so, wie er ist, aber er tut dann sicher gut daran, sich bewusst zu werden, wann er in Übereinstimmung mit einem natürlichen Handeln war und ist und wann er stattdessen auf einem Ego-Trip war oder ist. Gewiss ist dann früher oder später auch eine emotionale Bereinigung vonnöten: Seine Betroffenheit spüren oder gar die heftigen Missempfindungen über eine frühere „Untat“. Erfahren, spüren, annehmen. Aber auch hier: Das Urteilen über sich unterlassen.
Gerade Achtsamkeit weiß auch um die Verbundenheit von allem. Daraus erwächst ein ethischer Rahmen, den wir nicht einfach über Bord werfen können. Bleiben wir also, wenn wir können, in einem ethischen Rahmen und tun unser Bestmögliches. Im besten Fall das, was wirklich ein stimmiger Ausdruck von uns selbst ist.
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