Meditation lernen und verstehen – Teil 1
– Tipps und Essentielles. Nicht nur für Anfänger –
Immer mehr Menschen meditieren. Forschungsergebnisse versprechen positive Wirkungen. Der wachsende Stellenwert der Achtsamkeit, deren praktische Übungsgrundlage Meditation ist, fördert diese Entwicklung nachhaltig. Die Anforderungen der heutigen Gesellschaft und Arbeitswelt lösen in uns zudem oftmals das Bedürfnis nach einem Ausstieg oder Schnitt aus, ein Bedürfnis von Rückzug und Selbstfindung. Dennoch: Sollten wir wirklich meditieren? Und was tun wir da eigentlich, wenn wir meditieren? Was sind das alles für Absichten, die Menschen verfolgen, wenn sie meditieren? Wie meditiert man überhaupt und auf was kommt es an? Fragen wie diese möchte ich vor allem auf Basis meiner eigenen langen und intensiven Meditationserfahrung hier näher betrachten und beantworten.
Meditationserfahrung
In Sachen Meditation lege ich alle Bescheidenheit beiseite und begreife mich einfach mal als sehr erfahrenen Fachmann. Warum? Ich meditiere nun seit etwa 45 Jahren. Das ist eine sehr lange Erfahrung, auf die nicht allzu viele in unserem Kulturkreis blicken können. Und es sind noch viel weniger Meditierende, die wie ich in der Meditation eine Gipfelerfahrung gemacht haben, nämlich eine „Samadhi“-Erfahrung, eine Art Erleuchtungserfahrung. Nebenbei: Ich sehe mich deshalb nicht als „erleuchtet“, keineswegs, und ich möchte dieses Thema an dieser Stelle nicht vertiefen. Ich weiß jedoch um den wegweisenden Stellenwert dieser außergewöhnlichen Erfahrung, die mir zuteil wurde und ich reklamiere für mich auch deshalb eine besondere Expertise in Sachen Meditation. Hinzu kommt natürlich, dass ich MBSR-Lehrer (Achtsamkeitslehrer) bin, also auch eine Ausbildung habe, in der Meditation eine große Rolle spielt. Und infolgedessen lehre ich Meditation in meinen Kursen.
Meditieren Tiere? Sollten Menschen meditieren?
Meditation, was soll das überhaupt? Meditieren Tiere? Haben Tiere Anlass, zu meditieren? Warum tun Menschen so etwas? Ich denke, das Meditieren von Menschen lässt sich nur in Zusammenhang mit den Absichten und Zielen, die wir mit Meditation verbinden, ergründen. Insofern möchte ich in meinem Beitrag von den Absichten und Zielen her die verschiedenen Aspekte von Meditation aufgreifen. Zunächst jedoch: Ohne das wirklich wissen zu können, denke ich, dass Tiere eher nicht meditieren. Tiere haben vermutlich keinen solchen Verstand wie wir Menschen und verbringen keine Zeit damit, sich Gedanken über Vergangenheit und Zukunft zu machen oder abzuwägen, ob und wie sie dieses oder jenes tun sollten, etc.. Wenn wir Meditation beispielsweise als ein Mittel begreifen, in Kontakt mit unserem Selbst zu kommen, bzw. ganz bei uns zu sein, dann ist das doch sehr menschenspezifisch. In meiner Wahrnehmung sind Tiere immer bei sich und leben tatsächlich im Augenblick. Sie versuchen vermutlich auch nicht, sich mit großer Selbstkontrolle in einer bestimmten Weise zu präsentieren oder bestimmten Normen, Konzepten und Erwartungen zu entsprechen. Bei der Balz vielleicht – mag sein. Aber nein, ich denke, Tiere haben es nicht nötig zu meditieren. Es sind wir Menschen, die eher nicht in ihrer Mitte sind, die die Verbindung zum Natürlichen, bzw. zur eigenen Natur vielfach verloren haben. Wenn wir Meditation indes als Übung zur Konzentration verstehen, dann haben auch hier die Tiere uns sehr viel voraus, weil sie vermutlich immer aufmerksam und im Moment sind. Das gebieten schon allein die Gefahren, die Tieren in der Natur drohen. Und wenn wir schließlich Meditation als eine Übung ansehen, um die Prinzipien der Achtsamkeit einzuüben, dann ist im Vorigen dazu schon vieles gesagt. Tiere sind aufmerksam im Augenblick. Allerdings glaube ich durchaus, dass auch Tiere bewerten. Auch sie machen Erfahrungen, ziehen bewusst oder unbewusst ihre Schlüsse daraus und wenden sie auf neue Situationen, die ihnen begegnen, an. Konditionierungen jedenfalls spielen bei Tieren sehr wohl eine Rolle. Auch wenn ich glaube, dass Tiere bewerten, dann geben sie wahrscheinlich den Bewertungen nicht die Bedeutung, die Menschen ihnen geben. Menschen machen aus Bewertungen gerne mal Glaubenssätze, es entsteht eine Weltbild, manchmal geradezu eine Ideologie. Ich vermute, dass die Bewertungen von Tieren eher rein praktischer Natur sind, ohne dass ihnen eine derartige Bedeutung zu kommt. Natürlich kann meine Spekulation über die Tiere auch gänzlich falsch sein! Schließlich: Auch wenn ich glaube, dass Tiere nicht meditieren, so ist das keine Aussage darüber, ob Meditation von Menschen auf Tiere wirkt. Davon bin ich durchaus überzeugt. Diese Betrachtung kann die Frage, ob Tiere Anlass haben, zu meditieren, nicht wirklich beantworten. Davon abgesehen wird aus der Betrachtung allerdings deutlich, wie viele gute Gründe, es für Menschen geben mag, zu meditieren.
Absichten und Ziele des Meditierens
Also gut, warum kann es für uns Menschen Sinn machen zu meditieren? Aus meiner Sicht, glaube ich …
- Meditation kann helfen, herunter zu kommen und zu entspannen.
- Meditation kann unsere Konzentrationsfähigkeit verbessern.
- Meditation kann die Verbindung zu unserer Körperlichkeit, bzw. unserer körperlichen Lebendigkeit stärken.
- Mit Meditation können wir uns in Achtsamkeit üben und diese kultivieren.
- Meditation kann unseren Horizont weiten, d. h. uns offener und auch kreativer machen.
- In Meditation sind (tiefe) Einsichten möglich.
- Mit Meditation können wir die Verbindung mit uns selbst festigen, bzw. mit unserem höheren Selbst in Verbindung treten. Hier kommt auch die Suche nach Erleuchtung ins Spiel …
Ich sehe diese Liste nicht als abschließend an. Tatsächlich ist es nur eine Sammlung dessen, was mir persönlich momentan zum möglichen Sinn und Zweck von Meditation einfällt. Haben wir aber eine solche Liste von Absichten und Zielen, dann können wir uns vielleicht besser erschließen, welche Meditationsform oder Meditationstechnik uns am Besten bei unserer Zweckverfolgung unterstützen kann. Ja, ich glaube, dass eine empfehlenswerte Meditationsform und Technik sich aus unseren Absichten und Zielen ergibt. Davon abgesehen überschneiden sich manche Ziele und Meditationsformen. In der mit diesem Beitrag beginnenden dreiteiligen Folge von Blogbeiträgen über Meditation möchte ich in Teil 1 und 2 meine Liste Punkt für Punkt durchgehen und zeigen, mit welcher Meditationsweise wir unsere Absichten und Ziele vielleicht am ehesten umsetzen können. Ich gehe hier allerdings nur auf Meditationsformen ein, die ich selbst kenne. Es gibt darüber hinaus natürlich noch viele weitere Meditationsformen. In Teil 1 und Teil 2 geht es um Grundsätzliches. In Teil 3 möchte ich dann nochmals explizit auf Schwierigkeiten eingehen, die in der Meditationspraxis auftauchen können.
Meditation? Ja, aber …
Meditation ist übrigens nicht für jeden in jedem Moment geeignet, das gilt insbesondere für die Sitzmeditation. Menschen, die psychisch belastet sind und sich in Therapie befinden, sollten mit ihrem Therapeuten darüber sprechen, ob Meditation für sie empfehlenswert ist. Gerade in der Sitzmeditation können schwierige Gefühle und Gedanken vielleicht noch deutlicher als im Alltag zum Vorschein kommen. Das ist an für sich kein Problem. Gerade erfahrene Meditierende können diese Erfahrungen einfach nur beobachten und ihnen mit einer gewissen Akzeptanz begegnen. Sie wissen, dass alle möglichen Dinge in ihnen auftauchen, dass sie jedoch nicht exklusiv diese Dinge sind. Das kann sogar zu wertvollen Einsichten führen. Anfänger laufen freilich Gefahr, sich mit schwierigen Gedanken und Gefühlen wie gewohnt zu identifizieren und sich mitreißen zu lassen.
Meditation lernen
Wer Meditation lernen möchte, ist gut beraten, einen Kurs zu besuchen. Ein Kurs hat nicht nur den Vorteil, dass man dort individuelle Unterstützung findet. Gruppenmeditationen entwickeln eine eigene Atmosphäre und Energie, die spürbar ist und den Einzelnen in seiner Meditation unterstützen kann. Persönlich würde ich natürlich immer den MBSR-Kurs nach Jon Kabat-Zinn empfehlen, den ich selbst auch anbiete. Der MBSR-Kurs hat beispielsweise nicht nur eine Meditationsform im Angebot, sondern lehrt eine Körperwahrnehmungsmeditation (Body Scan), Gehmeditation, Atem- und Sitzmeditation und sogar die Metta-Meditation, die Meditation der „Liebenden Güte“. Gerne spreche ich aber auch jedem Mut zu, es ganz alleine zu versuchen, vorausgesetzt, er ist weitestgehend psychisch gesund. Die Tipps in diesem Beitrag, Bücher und Audioanleitungen, zum Beispiel aus dem Internet, können ein Leitfaden sein. Auch ich habe mir im Alter von etwa 14 Jahren (Sitz-)Meditation selbst beigebracht. Natürlich ist das möglich! Um eine für uns geeignete Meditationsform auszuwählen, sollten wir uns über unsere Absichten, die wir mit Meditation verbinden, klar werden. Welche Punkte meiner Liste korrespondieren mit Ihren Zielen? In den Erläuterungen zu den entsprechenden Punkten, möchte ich aufzeigen, mit welcher Meditationstechnik wir diese Ziele erreichen können.
1. Meditation kann helfen, herunter zu kommen und zu entspannen.
Um einfach nur herunter zu kommen und zu entspannen eignet sich wohl grundsätzlich jede Meditationsform. In der jeweiligen Meditation richten wir unsere Aufmerksamkeit auf ein Objekt oder öffnen uns im Sinne eines offenen Gewahrseins für alle Erfahrungen, die gerade auftauchen. Was wir tun, wenn wir Meditation nutzen, um herunter zu kommen und zu entspannen, ist dies: Wir ziehen unsere Aufmerksamkeit von bestimmten energiezehrenden Alltagserfahrungen ab und richten sie auf etwas, mit dem wir in einen anderen Modus kommen und Ruhe finden können.
Atemmeditation
Die einfachste Art und Weise ist es, einfach inne zu halten und die Aufmerksamkeit auf den ein- und ausfließenden Atem zu richten, ohne ihn kontrollieren oder verändern zu wollen. Der Atem fließt den ganzen Tag über ohne unser bewusstes Zutun. Dieser eigenständige Prozess kann uns tragen, wenn wir ihn einfach nur beobachten. Es gibt dabei nichts weiter zu tun. Wir können dabei entspannt dasitzen, liegen oder auch stehen. Was gibt es dabei zu bemerken? Die Luft an den Nasenflügeln oder in der Kehle? Das Heben und Senken der Brust oder der Bauchdecke? Einfach all diese Sinnesempfindungen wahrnehmen und damit wertfrei da sein. Der Atem hält uns wie ein Anker im gegenwärtigen Augenblick. Eine Atemmeditation können wir nur für wenige Minuten machen oder sogar 20, 30 oder vielleicht 45 Minuten ausführen. Zum Abschluss können wir ein mal in den ganzen Körper hinein spüren, um uns wieder mit unserer ganzen Person zu verbinden. Den Atem zum Objekt der Meditation zu machen, ist sicherlich die am meisten empfohlene und gebräuchlichste Form, um als Anfänger in die Meditation einzusteigen.
Absichtslos, anstrengungslos, aufmerksam.
Als ich selbst vor etwa 45 Jahren anfing zu meditieren, kursierte oft die allgemeine Empfehlung, seine Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand auszurichten, klassischerweise auf eine Kerze, natürlich auch auf den Atem. Es geht darum, die Aufmerksamkeit beim Objekt ruhen zu lassen. Es ist in diesem Zusammenhang gut, wenn wir bemerken können, wenn wir anfangen, uns anzustrengen. Meditation sollte nie ein angestrengtes Tun sein! Meditation ist Aufmerksamkeit, aber ohne sich dabei anzustrengen. Im normalen Leben gelingt uns das ohne Weiteres. Strengen wir uns etwa an, wenn wir etwas einfach nur aufmerksam wahrnehmen? Solange es sich nicht um etwas Bedrohliches handelt, sind wir dabei auch nicht angespannt. Sich etwas gewahr zu sein ist per se nicht anstrengend, sondern geschieht von selbst. In der Meditationspraxis, verirren wir uns aber des öfteren in ein kontrollierendes und mit Anstrengung verbundenes Tun. Hier offenbart sich ein Grundkonflikt des Meditierens. In der Regel verfolgen wir mit dem Meditieren eine Absicht. Die Meditation selbst gelingt jedoch nur wirklich gut, wenn sie von Absichtslosigkeit geprägt ist. Das eigentlicheTun des Meditierens sollte sich eben nicht auf den Zweck richten, sondern Selbstzweck sein. Wir wollen herunter kommen und eben nicht gleichsam die Meditation arbeiten, um herunter zu kommen. Das arbeitende Tun in der Meditation ist arbeiten. Herunter kommen ist herunter kommen. Wenn wir uns also über unser „Arbeiten“ in der Meditation bewusst werden, können wir vielleicht, so gut es geht, einfach wieder loslassen. Wieder und wieder. Das Wesen des Herunter-Kommens ist das Loslassen.
Meditiere nicht, um Dich zu reparieren, zu heilen, zu verbessern, zu erlösen;
tue es lieber aus einem Akt der Liebe heraus,
aus tiefer, herzlicher Freundschaft Dir selbst gegenüber.
Auf diese Art und Weise gibt es keinen Grund mehr,
für die subtile Aggression der Selbstverbesserung,
für die endlosen Schuldgefühle, nicht genug zu tun.
Es bietet Gelegenheit für ein Ende der unaufhörlichen Runden des schweren Versuchens,
welches so viele Leben verhärtet.
Stattdessen gibt es Meditation als einen Akt der Liebe.
Wie unendlich wonnevoll und ermutigend.
Bob Sharples
aus „Meditation: Den Geist beruhigen“
Wenn wir unsere Aufmerksamkeit unangestrengt bei einem Objekt ruhen lassen, dann finden auch wir insgesamt innerlich zur Ruhe. In Ruhe bei etwas sein, ist eben einfach in Ruhe sein. Ja, die jeweils geeignete Meditationsform ist einfach nur die – paradoxerweise absichtslose – Umsetzung unseres angepeilten Zwecks. Indem wir die Meditation beginnen, um einen Zweck zu erreichen, setzen wir in der Meditation selbst in Wirklichkeit den Zweck absichtslos als Selbstzweck direkt um. Das Meditieren selbst ist also kein „um, zu“ und kein Weg, der am Ende irgendwas hervorbringt. Es ist wichtig, das zu verstehen.
Körperhaltung
Eine Anmerkung noch zur Körperhaltung bei Meditationen: Wir sollten eine natürliche, aber gewissermaßen „gerichtete“ Haltung einnehmen. Mit „gerichtet“ meine ich, dass es sich nach meiner Erfahrung empfiehlt, im Sitzen in eine natürliche Aufrichtung zu gelangen ohne sich angestrengt durchzustrecken. Bei meinem „Samadhi“ saß ich angelehnt in einem jugendlichen Schwingsessel. Ein Sessel also, der etwas durchgebogen ist. Es war in diesem Fall für mich nahe liegend, mich anzulehnen. Und das hat an Aufrichtung schon gereicht, wie man sieht. Bei einem „Samadhi“, jedenfalls war es bei mir so, richtet sich die Wirbelsäule, wenn die (Kundalini-)Energie aufsteigt, von alleine gerade auf, wenn sie denn einigermaßen die Möglichkeit dazu hat. Das bedeutet andererseits aber auch, dass irgendwelche allzu entspannte oder gekrümmte Haltungen, die die Wirbelsäule nicht wirklich frei geben, eher nicht hilfreich sind. Das meine ich mit „gerichtete“ Haltung. Beim Sitzen gelangen wir am leichtesten in eine natürliche Aufrichtung, wenn wir unser Becken etwas nach vorne kippen. Am Besten ist es, wenn wir mit gekreuzten Beinen auf einem Meditationskissen vorne wie auf einer schiefen Ebene sitzen. Das ist wie beim Sitzen auf einem Keilkissen. Auf Stühlen rutscht man am Besten nach vorne, um das Becken etwas abzukippen. Ein Keilkissen zu nutzen ist natürlich auch sehr hilfreich. Beim Liegen bedeutet eine „gerichtete“ Haltung, gerade ausgestreckt auf dem Untergrund zu liegen, ohne sich angestrengt zu strecken. Beim meditativen Gehen wäre ein natürliches aufrechtes Gehen anzustreben, auch hier, ohne sich irgendwie angestrengt gerade zu machen. Ja, und das alles bitte absichtslos … ;-). Übung macht den Meister. Sich bewusst gerade aufzurichten, bzw. durchzustrecken ist kontraproduktiv, weil es einer innerlich entspannten Haltung und auch einer absichtslosen Haltung zuwiderläuft. In Sitzmeditationen beim Yoga wird oft angeleitet, man solle eine ganz bestimmte Handhaltung ausführen. Dabei werden dann die nach oben geöffneten Hände auf den Knien platziert, Daumen und Ringfinger berühren sich und bilden eine Kreisform. Diese Handhaltung mag geeignet sein, Konzentration aufrecht zu erhalten. Sie ist für Anstrengungslosigkeit und ein Loslassen in der Meditation in meinen Augen aber eher nicht hilfreich, auch wenn man sie auf den allermeisten Fotos, die Meditation darstellen sollen, so sieht. Für die Sitzmeditation empfehle ich die „Dhyana-Mudra“, bei der die Hände mit der Innenseite nach oben im Schoß liegen, die linke Hand auf der rechten ruhend oder auch umgekehrt. Die Daumen berühren sich und bilden mit den Handflächen ein Oval. Auch andere Handhaltungen sind denkbar, solange sie anstrengungslos sind, sich für uns gut anfühlen und vielleicht auch eine gewisse Offenheit ausdrücken (offene Handflächen).
Mehrere Meditationsformen, um herunter zu kommen
Um in der Meditation herunter zu kommen, müssen wir nicht zwangsläufig eine Sitzmeditation machen. Wir können auch eine Körperwahrnehmungsmeditation oder eine Gehmeditation machen. In beiden Fällen ist unsere Aufmerksamkeit dann mehr oder weniger stark auf das Objekt Körper ausgerichtet. Auf beide Meditationen möchte ich unter Punkt 3. (Körperlichkeit) eingehen. Auch eine Meditation, deren Inhalt vornehmlich das offene Gewahrsein ist, kann uns herunter bringen. Auch dazu mehr unter anderen Punkten.
Meditation und Bildgeschichten
Eine weitere Meditationsform kann uns oft auch zur Ruhe bringen. Manchmal wird in Meditationen mit Bildern gearbeitet. Die Aufmerksamkeit geht dann nicht auf ein reales Objekt, sondern auf ein vorgestelltes Bild. Im Extremfall geraten solche Meditationen aber gerne mal zu Phantasiereisen und sind damit keine wirklichen Meditationen. Ich gebe gerne zu, dass ich gegen diese Meditationsform große Vorbehalte habe. Im klassischen Achtsamkeitskurs nach Jon Kabat-Zinn, dem MBSR-Kurs, wird in der Regel auch die sogenannte „Bergmeditation“ durchgeführt. Man stellt sich vor, da zu sitzen, ruhig und stabil wie ein Berg, dem Wind und Wetter nichts anhaben. Mit diesem Bild wird die Qualität des In-sich-ruhen-könnens angesprochen, darauf sollte in der Meditation die Betonung liegen. Doch allein dieses simple Bild ist mir persönlich schon zu viel, weswegen ich kein Freund der Bergmeditation bin. Ich verstehe Achtsamkeit so, dass wir uns dem Wirklichen zuwenden, dem, was da ist. Es sind ja gerade die ganzen Vorstellungen und Gedankenwelten, die uns in unserem Alltag so sehr von der Gegenwärtigkeit entfremden und närrisch machen. Mir ist natürlich bewusst, dass es durchaus auch im Buddhismus, der Religion der Achtsamkeitslehre, Meditationen auf bestimmte symbolische Bilder, Mandalas oder Thangkas, gibt. Ich kann dem allerdings nichts abgewinnen und es nicht mit Achtsamkeit in Einklang bringen, auch wenn es dabei vermutlich wie bei der Bergmeditation um das Hineinfinden in eine bestimmte Empfindungsqualität geht. Die Bergmeditation ist freilich sehr harmlos gegenüber manchem anderen, was da an sogenannten Meditationen oder Phantasiereisen daher kommt und mit vorgestellten Bildern arbeitet. Wenn Phantasiereisen mit ruhigen Bildern arbeiten und wenn die Bilder wenig wechseln, dann kann das immerhin beruhigend wirken. Ich selbst habe allerdings einmal an einer sogenannten Meditation teilgenommen, die eine lange Phantasiereise mit vielfach wechselnden Bildern und Orten beinhaltete. Ich war danach eher in Aufruhr und mein Geist kam mir nicht geklärt, sondern völlig wirr vor. Klar und deutlich: Ich sehe so etwas nicht als Meditation an. Und wozu sollen derlei Fantastereien denn hilfreich sein?
2. Meditation kann unsere Konzentrationsfähigkeit verbessern.
Auch hier denke ich, dass fast jede Form der Meditation unsere Konzentration stärken kann. Allen voran natürlich alle Meditationen, die sich auf ein Objekt ausrichten (vgl. 1.). Sei es der Atem, eine Kerze oder anderer Gegenstand oder der Körper. Was wir tun, wenn wir Meditation nutzen, um unsere Konzentrationsfähigkeit zu verbessern, ist, die Aufmerksamkeit bei einem bestimmten Objekt unserer Meditation zu halten. Immer, wenn wir aufmerksam da sind, die Aufmerksamkeit bei etwas halten, wird gewiss die Konzentration trainiert. Als gebranntes Kind, lasse ich das für gewisse Phantasiereisen, die nichtsdestotrotz als Meditationen betitelt werden, nicht gelten. Das verwirrt den Geist mehr als dass es ihn klärt oder konzentriert. Der Effekt einer verbesserten Konzentration tritt übrigens bereits nach wenigen Wochen regelmäßigen Meditierens ein.
Das Abschweifen des Geistes
Unsere Aufmerksamkeit auf den Gegenstand unserer Meditation, reißt gelegentlich ab. Die Gedanken schweifen ab, auch wenn wir das in einer Meditation eigentlich nicht möchten. Nein, keine persönlichen Phantasiereisen bitte. Dennoch ist das Abschweifen des Geistes etwas, das uns auch im Alltag sehr häufig widerfährt. Es ist eine tief sitzende Gewohnheit. Es ist daher logisch und natürlich, dass uns dieses Abschweifen auch in der Meditation heimsucht. Wichtig ist in diesem Fall zum einen, dass wir uns dafür keine Vorwürfe machen oder Ähnliches. Es kann einfach nicht anders sein, als dass uns das passiert! Einfach mit dem Bemerken des Abschweifens zurückkehren zum Meditationsobjekt und mit sich in Frieden bleiben. Zum anderen sollten wir uns hüten, gegen das Abschweifen anzukämpfen. Alles Unterdrücken-Wollen nimmt die Gedanken nur noch mehr in den Fokus und verstärkt sie damit nur. Gedanken los zu werden, quasi Gedankenlosigkeit, ist nicht unsere Ausrichtung. Den Gedanken und dem Abschweifen keine Bedeutung zu geben ist hier der Schlüssel. Tatsächlich nimmt der Gedankenstrom auf diese Weise über die Zeit ab.
3. Meditation kann die Verbindung zu unserer Körperlichkeit, bzw. unserer körperlichen Lebendigkeit stärken.
Dies gilt für alle Meditationen, die den Körper als Meditationsobjekt haben. Die Bewusstheit für unsere Körperlichkeit können wir stärken, wenn wir in Körperwahrnehmungsmeditationen wie dem Body Scan oder einer Gehmeditation unsere Aufmerksamkeit auf unser verkörpertes Hiersein richten. Dies schult und sensibilisiert uns für unsere Körperwahrnehmung und unsere Lebendigkeit im Körper.
Wie führt man einen Body Scan (Körperwahrnehmungsmeditation) durch? Wir liegen oder sitzen, nehmen Kontakt auf zu unserem Körper, spüren vielleicht in die Sitzhaltung oder in die Kontakte mit der Unterlage oder dem Stuhl. Wir können für einen Moment noch unseren Atem wahrnehmen wie unter 1. im zweiten Absatz geschildert. Dann mit der Aufmerksamkeit z. B. zu den Zehen des linken Fußes, wenn wir den Körper von Fuß zu Kopf „scannen“ oder zum Kopf, wenn wir den Körper von Kopf zu Fuß „scannen“. Dann langsam Körperteil für Körperteil durchgehen und aufmerksam wahrnehmen. Wir erforschen, wie unsere Befindlichkeit in der jeweiligen Körperregion ist und versuchen annehmend mit all dem, was auftaucht, eben auch mit Unangenehmen, zu verweilen. Es ist schon da, es darf da sein – das ist, wie es gerade ist. Wir gehen spielerisch mit unseren Erfahrungen um. Wenn es für uns irgendwo gerade zu schwierig ist, erlauben wir uns, die Aufmerksamkeit auch wieder von einer Stelle abzuziehen und tasten uns vielleicht später wieder heran. Wenn der Geist abschweift, handhaben wir es wie im letzten Absatz unter 2. beschrieben. Zum Schluss können wir Kontakt zum Körper im Ganzen aufnehmen und unserer Präsenz im Körper nochmals deutlich nachspüren, bevor wir die Meditation dann beenden. Dies ist natürlich nur eine Kurzbeschreibung. Auch Audioanleitungen für einen Body Scan finden sich im Internet.
Ich schätze die körperliche Präsenz, in die wir beim Body Scan finden können. Da wir uns bei dieser Meditation uns selbst, d. h. unserer Repräsentanz als verkörpertes Wesen, zuwenden, ist dies auch eine Form der Zuwendung zu sich selbst und kann daher auch eine Übung zur Selbstfürsorge sein.
Gehmeditation
Bei einer Gehmeditation geht es darum, bewusst und aufmerksam in der Bewegung im gegenwärtigen Moment da zu sein. Zumeist halten wir die Aufmerksamkeit beim gehenden Körper. Wir können aber auch zwischendurch unsere Aufmerksamkeit bewusst für ein Weilchen auf unsere Umgebung richten. Sinnvollerweise spüren wir bei einer Gehmeditation anfangs in unseren Stand hinein und machen dann langsam und bewusst den ersten Schritt. Spüren, wie die Ferse sich hebt, der Ballen sich vom Boden löst, der Fuß ausschwenkt und dann zunächst mit der Ferse wieder den Boden berührt. Das Abrollen des Fußes wahrnehmen, während bemerkt werden kann, wie sich schon die Ferse des anderen Fußes hebt, usw.. Gewichtsverlagerungen, die beim Gehen stattfinden wahrnehmen, die Arbeit der Muskulatur wahrnehmen und schließlich auch, wie der ganze Körper in passender Weise mitgeht oder mitschiebt. Da ist vieles, was wir aufmerksam wahrnehmen können. Dann vielleicht auch in sein eigenes Tempo und den eigenen Rhythmus finden und je nach Impuls mal beschleunigen, verlangsamen, drehen, stehen, Umwelt wahrnehmen. Auch diese Beschreibung ist natürlich nur eine kurze Übersicht. Für Gehmeditationen finden sich im Internet ebenfalls Audio- oder Videoanleitungen.
Jeder hat, was Meditationen anbetrifft, seine Vorlieben. Meine Priorität ist die Sitzmeditation, an zweiter Stelle aber die Gehmeditation. Ich bin über eine Gehmeditation schon einmal in eine Art mystischen Flow-Zustand gelangt. Eine unglaubliche Erfahrung! Die Gehmeditation kann nicht nur unsere Körperwahrnehmung fördern oder unsere Präsenz im gegenwärtigen Moment üben. Sie kann auch eine Übung der Orientierung und Selbstfindung sein, dann nämlich, wenn wir in dieser Meditation auf unsere inneren Impulse hören. Wo will es mit mir lang? Wie will es mich gehen? Möglich, dass dadurch auch unsere Offenheit gegenüber Intuitionen trainiert wird. Meine Erfahrung mit buddhistisch geprägten Menschen oder Zirkeln ist, dass man sich dort eher auf die Aufmerksamkeit auf den Gehprozess beschränkt. Wissen um sein Gehen. Oft wird auch im Kreis gegangen, also alle in vorgegebener Ordnung und im selben Tempo. Um die Absichtslosigkeit und die natürliche authentische Wesenhaftigkeit des individuellen Menschen zu unterstützen, bevorzuge ich die genannten Variationen.
Vitalität durch Yoga
Die Verbindung zu unserer Vitalität und unserer Körperlichkeit können wir übrigens auch sehr gut über achtsame Yogaübungen stärken. Auch dabei muss die Aufmerksamkeit im gegenwärtigen Moment bei unserer Körpererfahrung gehalten werden. Gleichzeitig ist es wichtig, nicht in irgendeine athletische Ambitioniertheit zu verfallen. Es geht darum, in der Erfahrung zu sein, im Moment und nicht darum, wie beweglich und athletisch ich bin und wie viel besser ich Haltungen ausführen kann als andere. Das sind einfach nur geistige Verirrungen, die uns vom Moment und der Erfahrung entfremden. Außerdem kann Yoga uns unterstützen, ein Gespür für unsere Grenzen zu entwickeln: Kann ich tatsächlich noch weiter in diese herausfordernde Haltung gehen oder übertreibe ich gerade und sollte selbstfürsorglicher sein? Was ist noch zuträglich, was nicht? Mit Yogaübungen können wir noch etwas anderes schulen: Gelassenheit und Entspannung inmitten von Anstrengung und Herausforderung. Ja, Yogaübungen können herausfordernd und anstrengend sein. Wenn es uns jedoch gelingt, uns gleichsam in die anstrengende Haltung hinein zu entspannen, lernen wir, auch in der Anstrengung und Herausforderung gelassener und entspannter zu sein. Die achtsame Art Yoga zu üben hat freilich einen meditativen Charakter, wenngleich ich Yoga im engeren Sinne nicht als eine Form der Meditation bezeichnen würde.
Die Freude des Meditierens: Meditation als Selbstzweck
Grundsätzlich gilt für alle Meditationen, dass Absichtslosigkeit und Meditation als Selbstzweck entscheidend sind für gelingende Meditationen. Wer gewisse Ziele hat, diese aber in der Meditation selbst nicht beiseite legen kann, und wer ständig um die korrekte Art des Meditierens bemüht ist und so nicht zu einer gewissen Hingabe an die Meditation findet, für den wird Meditation eher zu einer Mühe denn zu einem großen Benefit. Ziele, die wir mit der Meditation verfolgen mögen, müssen wir in der Meditation selbst vergessen. Meditation gelingt, wenn wir uns einlassen können und unmittelbar die Freude des Meditierens verspüren. Genau diese positive Art des Erfahrens von Meditation lässt Meditation für uns zu einem Bedürfnis werden, dem wir gerne Raum geben. Dann ist Meditation keine „Pflicht“, keine Arbeit, erfordert keine Disziplin und dann fällt es uns leicht zu meditieren. Anfänger verfangen sich indes oft in ihren Absichten und eigenen Anforderungen. Für mich war Meditation immer leicht. Meine erste Meditationserfahrung war eine transzendentale Meditation angeleitet von einem katholischen Pfarrer im Religionsunterricht der Schule. Für mich war es etwas Neues und interessant. Ich konnte mich deshalb darauf einlassen und machte sofort eine überwältigende Erfahrung, die mich hernach inspirierte, mir Meditation mit Hilfe von Büchern selbst beizubringen. Natürlich war dies eine glückliche Fügung des Schicksals, die von vornherein die Freude am Meditieren in den Fokus rückte. Damit und mit jugendlicher Experimentierfreude war es für mich tatsächlich ein leichter Einstieg.
Meditation und Sein
Noch etwas Grundsätzliches: Meditieren ist in meinen Augen ein Modellieren eines natürlichen Seins. Wir leben im allgemeinen zielorientiert nach Konzepten und dabei kommt uns die Natürlichkeit und der Selbstzweck des Lebens etwas abhanden. Demgemäß gibt es dann Meditationstechniken, die im Grunde wieder zu einem natürlichen Sein hinführen. Bei körperorientierten Meditationen finden wir wieder ins Spüren unseres körperlichen Hierseins und in die Präsenz im Augenblick. Bei Meditationen, die auf ein Objekt gerichtet sind oder sich mehr dem inneren Gewahrsein zuwenden, finden wir zu mehr Aufmerksamkeit oder Konzentration. Mit Meditation können wir zudem mehr zu uns selbst finden, weil wir in einer wirklichen Meditation den ganzen Schleier von Konzepten und all die Ambitionen, irgendwo hin zu gelangen und etwas zu erreichen, mehr und mehr loslassen. Wir lassen los in unser natürliches (So-)Sein. Meditation ist kein Mehr, sie führt nicht auf eine neue, höhere Stufe am Ende des Weges. Wahre Meditation, insbesondere die Sitzmeditation, ist ein Weniger, eine Rückkehr zur Natürlichkeit des Soseins, zu Einfachheit und zum Ursprung.
Mehr an Grundsätzlichem zu Meditation und speziell zu den Punkten 4. bis 7. meiner Liste folgt in einem zweiten Teil.
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