Meditation lernen und verstehen – Teil 2
– Tipps und Essentielles. Nicht nur für Anfänger –
Meditation steht historisch betrachtet fast ausschließlich in einem spirituellen Zusammenhang. Zu meditieren, weil es uns, wie auch immer, gut tut und unterstützt, ist eine Herangehensweise unserer säkularen Neuzeit. In diesem Teil meiner Trilogie zu Meditation spielen die spirituellen Bezüge eine größere Rolle. Auch deshalb wird es jetzt etwas tiefgründiger. Der Bogen spannt sich von der Achtsamkeitsmeditation, die auch als bloßes Training zur Stressbewältigung angesehen werden kann, hin zu Meditation als Weg zur „Erleuchtung“. Meine im ersten Teil begonnenen Ausführungen zu Meditation finden hier ihre Fortsetzung, indem ich weiterhin von meiner Liste möglicher Absichten und Ziele ausgehe und von dort aus auf Meditation, bzw. auf in diesem Zusammenhang empfehlenswerte Meditationstechniken eingehe.
Absichten und Ziele des Meditierens (vgl. Teil 1)
- Meditation kann helfen, herunter zu kommen und zu entspannen.
- Meditation kann unsere Konzentrationsfähigkeit verbessern.
- Meditation kann die Verbindung zu unserer Körperlichkeit, bzw. unserer körperlichen Lebendigkeit stärken.
- Mit Meditation können wir uns in Achtsamkeit üben und diese kultivieren.
- Meditation kann unseren Horizont weiten, d. h. uns offener und auch kreativer machen.
- In Meditation sind (tiefe) Einsichten möglich.
- Mit Meditation können wir die Verbindung mit uns selbst festigen, bzw. mit unserem höheren Selbst in Verbindung treten. Hier kommt auch die Suche nach Erleuchtung ins Spiel …
Meditation ist im besten Fall Selbstzweck
Vorweg möchte ich nochmals das wichtigste Prinzip beim Meditieren wiederholen, denn man kann einfach nicht genug darauf hinweisen: Die Meditation an sich sollte Selbstzweck sein! Auch wenn wir mit dem Meditieren letztlich bestimmte Absichten verfolgen mögen, so müssen wir diese Absichten in der Meditation selbst komplett außen vor lassen. Um das zu verstehen, hilft ein Vergleich mit dem Flow-Zustand. Jeder kennt solche Zustände. Wir tun etwas, haben daran Freude oder gehen irgendwie darin auf. Vielleicht ein Instrument spielen, laufen oder einen anderen Sport betreiben. Bei sehr vielen Tätigkeiten können wir selbstvergessen darin aufgehen. Wir sind ganz dabei und damit ganz im Moment und die Handlung wird zu einem erfüllenden mühelosen Selbstläufer. Es ist charakteristisch für einen Flow, dass wir darin nicht wirklich auf ein Ziel oder Resultat ausgerichtet sind, sondern ganz im Moment sind, hingebungsvoll versunken in unserer Handlung. Und unsere Handlung bringt eine Befriedigung mit sich. Sie ist Selbstzweck und gleichzeitig auch selbstbelohnend! Im Flow geht es nicht darum, etwas so oder so zu machen, um schließlich erfolgreich irgendwo hin zu gelangen. Und genau so sollte unsere Haltung in einer Meditation sein – im besten Fall. Und weil es dazu nötig ist, Ziele, Konzepte und Vorstellungen loszulassen, ist Meditation eben kein „Mehr“, sondern ein „Weniger“. Wir verkrampfen nicht mit ausgefahrenen Ellenbogen in einer Zielgerichtetheit. Wir arbeiten nicht unsere Meditation, sondern geben uns bestenfalls anstrengungsloser offener und annehmender Selbstvergessenheit hin. Es gibt viel loszulassen! Denken wir nur einmal daran wie viele Wahrnehmungsfilter wir uns angeeignet haben. Der „normale“ Mensch interpretiert schier unaufhörlich mit tausenderlei Wahrnehmungsbrillen und Weltbildern. Wir stecken in vielerlei Geschichten darüber wie die Welt angeblich ist, wie andere Menschen sind, was richtig ist oder falsch ist, was Fehlverhalten oder korrektes Verhalten ist. Ständig kontrollierend haben wir die Zügel fest in Händen, halten uns gewissermaßen im Zaum. Mit natürlichem Sosein hat das rein gar nichts zu tun! Meine Beschreibung lässt die Dimension des Ballastes erahnen, den wir loslassen müssen, um Meditation als Selbstzweck ausüben zu können, bzw. um in einen absolut natürlichen Seinszustand zu finden. Loslassen, weniger, weniger, weniger …
4. Mit Meditation können wir uns in Achtsamkeit üben und diese kultivieren
Ausgehend von Jon Kabat-Zinns Arbeit hat sich Achtsamkeit seit 1979 mehr und mehr zu einem oft gehörten Begriff und zu einem zunehmend beachteten Thema entwickelt. Kabat-Zinn, der Molekularbiologe und inzwischen emeritierte Professor der Medizin, ist Buddhist und kennt von daher die buddhistische Lehre der Achtsamkeit. Unter der Fragestellung, was man austherapierten Patienten mit chronischen Krankheiten, bzw. chronischen Schmerzen unterstützend noch anbieten könnte, gelang es Jon Kabat-Zinn 1979 aus der buddhistischen Achtsamkeitslehre ein säkulares achtwöchiges Trainingsprogramm zur Kultivierung einer achtsamen Haltung abzuleiten. Im Deutschen ist dieses Programm heute unter dem Namen „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“ (MBSR) bekannt. Viele Studien haben nachgewiesen, dass eine achtsame Haltung hilft, besser mit Stress umgehen zu können. Die wesentliche Grundlage für die Kultivierung einer achtsamen Haltung bilden Meditationsübungen. Die klassische Achtsamkeitsmeditation ist die Vipassana Meditation, das heißt die Einsichtsmeditation. Davon abgesehen sind natürlich auch die im ersten Teil vorgestellte Gehmeditation und Körperwahrnehmungsmeditationen (vgl. Teil 1, Body Scan) Achtsamkeitsmeditationen.
Mit Meditation die Prinzipien der Achtsamkeit einüben
Alle Achtsamkeitsmeditationen sind dem Wesen nach gleich, denn sie üben dieselben Prinzipien der Achtsamkeit. Immer geht es darum, aufmerksam im gegenwärtigen Augenblick da zu sein, die auftauchenden Erfahrungen nicht zu bewerten und allem mit einer annehmenden, bzw. wohlwollenden Haltung zu begegnen. In einer Achtsamkeitsmeditation sind wir offen für das Auftauchen jedweder Art von Körperempfindungen, Gefühlen, Gedanken, Geräuschen, Gerüchen – was auch immer sich zeigen mag. Es ist schon da, es darf da sein. Wir üben uns darin, all dies einfach nur offen wahrzunehmen, ohne Widerstand zu leisten. Dabei sind Neugier, Interesse, Kennenlernen-Wollen, Erforschen und ein gewisser Anfängergeist nützliche Herangehensweisen für die auftretenden Erfahrungen. Grundsätzlich wollen wir uns nicht von den Erfahrungen wegreißen lassen indem wir uns damit identifizieren. Es ist hilfreich, alles als Ereignisse zu betrachten, die natürlicherweise kommen und gehen. Das gilt insbesondere für Gedanken. Ich habe im ersten Teil schon beschrieben, wie wir mit Gedanken in einer Meditation umgehen wollen: Sie tauchen auf, aber wir geben ihnen keine weitere Bedeutung, fallen ihnen nicht per Identifikation anheim und geraten nicht in Geschichten. Wir nehmen Gedanken nur als auftauchende und vergehende Ereignisse wahr. Ihr wörtlicher Inhalt muss uns nicht interessieren. Wir können einfach registrieren: Da ist Denken, da ist der Gedanke an xy, usw.. Ähnlich ist es mit Gefühlen. Wir machen sie uns nicht zu eigen, sondern können beispielsweise erforschen, wie es sich genau anfühlt und wo im Körper wir das Gefühl verorten. Ist es stark, ist es schwach, verändert es sich? Da ist z. B. Angst. Dann kann ich herausfinden, was es bedeutet, wenn das Gefühl der Angst auftaucht. Nicht „Ich habe Angst“, sondern da ist dieses Gefühl, das sich so und so anfühlt und das ich da und dort im Körper spüre. Wenn wir uns mit dem Gefühl identifizieren, davon vereinnahmen lassen, dann sind wir das Gefühl und lassen uns von ihm vor sich her treiben. Wir sind mehr als ein Gefühl, ein Gedanke oder was auch immer. Diese Erfahrungen sind nur ein Teil dessen, was alles in uns auftauchen kann, bzw. was uns über die Umwelt begegnen kann. Es erscheint sozusagen im Raum unseres Bewusstseins oder Gewahrseins. So weit an dieser Stelle meine Beschreibung, worauf es bei der Übung einer achtsamen Haltung mittels Achtsamkeitsmeditationen im Wesentlichen ankommt. Ein Motto könnte sein „Es ist, wie es ist.“, bzw. „Alles darf sein, wie es ist.“.
Der Klassiker: Achtsamkeitsmeditation im Sitzen
Eine achtsame Sitzmeditation, sprich eine Vipassana Meditation, kann man vom Ablauf her wie folgt gestalten: Im Körper ankommen und sich beispielsweise gewahr sein über seine Körperhaltung, sein Sitzen, den Kontakt zu Stuhl oder Boden. Dann die Aufmerksamkeit auf den Atem ausrichten, ohne ihn verändern zu wollen (vgl. Atemmeditation im ersten Teil). Danach sich Stück für Stück öffnen für auftauchende Körperempfindungen, Gefühle, Gedanken, z. B. der Reihe nach oder, wer kann, gleich alles aufs mal. Als nächstes beziehen wir dann auch Geräusche oder Gerüche mit ein, und zwar am Besten, ohne ihnen einen Namen zu geben und sie irgendwie zu identifizieren. Kurzum, wir kommen schließlich bei einem offenen Gewahrsein an, das allen auftauchenden Erfahrungen Raum gibt. Zu guter Letzt können wir dann wieder zur Atemwahrnehmung und zur Wahrnehmung unserer Präsenz in unserer Körperlichkeit zurück kehren und die Meditation dann beenden. Wir meditieren vorzugsweise mit geschlossenen Augen. Es ist aber auch möglich mit (leicht) geöffneten Augen zu meditieren, wobei wir den Blick auf einer Stelle ruhen lassen.
Selbstfürsorge beim Meditieren
Wenn irgendwo in der Meditation, etwas schwierig zu ertragen ist, greift das Prinzip der achtsamen Selbstfürsorge. Wir müssen nichts aushalten, was uns überfordert! Dann ziehen wir die Aufmerksamkeit davon zurück und tasten uns später wieder heran. Spielerisch mit den Erfahrungen umgehen, nicht zwanghaft. Wenn eine Körperhaltung wie das Sitzen mit gekreuzten Beinen überfordert, dann müssen wir es nicht zwanghaft aushalten und alle Schmerzen annehmen, sondern wir können die Haltung auch verändern. Das kann durchaus zur Konsequenz haben, dass wir vom Meditationskissen auf einen Stuhl wechseln. Andererseits üben wir uns sehr wohl auch darin, uns unangenehmen Erfahrungen wirklich zu öffnen, sie annehmend und wohlwollend da sein zu lassen. Herausforderungen annehmen, bei Überforderungen selbstfürsorglich sein.
Das Leben als Analogie für die Meditation
Um die Achtsamkeitsmeditation noch etwas grundsätzlicher zu betrachten: Das Leben ist vielfältig, hat angenehme und unangenehme Seiten, kennt Leid, wie auch Glück. Der „normale“ Mensch tut oft so als sei das Leben ein Wunschkonzert. Das eine darf es geben, das andere nicht. Und so ist man dann immer wieder am Kämpfen mit dem, was man nicht haben will und gleichzeitig auf der Jagd, nach dem, was man sich wünscht. Als achtsamer Mensch wollen wir stattdessen wertfrei mit unseren gegenwärtigen Lebenserfahrungen und Lebensumständen umgehen. Und das ist tatsächlich die einzig realistische Lebenshaltung! All diese Lebenserfahrungen, angenehme wie unangenehme, gibt es doch! Einzelnen Erfahrungen kämpferisch die Existenz bestreiten zu wollen und sich dabei aufzureiben macht keinen Sinn. Achtsamkeit ist deshalb so tauglich zur Stressbewältigung, weil sie eine offene Haltung ist, die im besten Fall alles (aus)halten kann.
Und um es schließlich etwas tiefgründiger zu erklären: Achtsamkeit ist wie das Leben selbst. In dieser Welt erscheinen vielfältige, oft widersprüchliche Dinge. Und dennoch zerplatzt die Welt in diesem Spannungsfeld nicht mit einem lauten Knall. Das Leben, bzw. das Sein trägt das alles, hat Raum für all das. Eine realistische, achtsame Haltung, anerkennt deshalb das, was da ist, als existent und geht insofern annehmend damit um. In meinem Blogbeitrag „Achtsamkeit. Jenseits der Akzeptanz“ bin ich schon einmal darauf eingegangen, dass die höchste Form der Akzeptanz die schlichte unmittelbare Hinnahme der Wirklichkeit ist. In Wahrheit sind unser Kommentar und unsere Bewertungen für das Leben selbst gänzlich irrelevant. Nichts braucht unsere Akzeptanz, sprich Erlaubnis, da sein zu dürfen. Das Wunschkonzert ist eine Illusion und wir sind in der Einstellung zu unseren Lebenserfahrungen doch ziemlich arrogant.
Ethische Fragen müssen bei dieser verkürzten Betrachtung leider außen vor bleiben. Mehr würde hier wirklich den Rahmen sprengen.
Achtsamkeit in säkularer und spiritueller Sicht
Achtsamkeit kann man in einer säkularen Form einfach nur als eine Haltung begreifen, die nachweislich hilft, besser mit Herausforderungen des Lebens umzugehen. Eine zur Stressbewältigung hilfreiche Haltung. Sie macht uns psychisch widerstandsfähiger, das heißt resilient. Achtsamkeit unterstützt uns auch selbstfürsorglicher und mitfühlender zu sein. Zugleich fördert sie ein Bewusstsein für die Fülle und das Wunder des Lebens. Manche Menschen sehen Achtsamkeit nur in einem solchen säkularen Zusammenhang und wollen von Spiritualität nichts wissen. Manch einer sieht Achtsamkeit aber gerade auch in einem spirituellen Kontext, auch ich.
Aus spiritueller Sicht gleichen wir uns mit einer achtsamen Haltung den grundlegenden Prinzipien des Lebens selbst an und wir machen uns bereit und öffnen uns, in einen natürlichen und gleichzeitig mystischen Seinszustand zu gelangen. Achtsamkeit, bzw. Achtsamkeitsmeditationen modellieren oder simulieren gewissermaßen den 100% natürlichen offenherzigen Seinszustand, in dem sich ein erleuchteter Mensch befindet. Oder, anders gesagt: Es ist es ein Modellieren eines 100% natürlichen menschlichen Daseinszustandes, ein Modellieren wahren Seins. Vollkommene Achtsamkeit, bzw. eine vollkommenen Meditation ist letztlich keine Haltung und kein Zustand, sondern wahres Sein. In Wahrheit müssen wir dazu gar nichts tun, eher eine ganze Menge lassen. Wir sind ja schon!
Wenn wir mit Meditation Achtsamkeit aufbauen und trainieren möchten, dann nutzen wir Körperwahrnehmungsmeditationen wie den Body Scan, Gehmeditation und insbesondere die achtsame Sitzmeditation, die Vipassana Meditation. Wie schon beschrieben, ist diese Meditation nichts anderes als die Umsetzung einer achtsamen Haltung in einer Sitzmeditation.
5. Meditation kann unseren Horizont weiten, d. h. uns offener und auch kreativer machen
(Achtsamkeits)Meditation fördert Kreativität. Das zeigen Studien. Aber warum ist das so? Die offene Haltung, die wir in der Meditation einnehmen, begünstigt in meinen Augen Kreativität. In einer Achtsamkeitsmeditation darf alles so da sein, wie es schon ist. Das ist praktizierte Offenheit. Offenheit begrenzt nicht unseren Blick auf einen Ausschnitt oder auf Genehmes. Offenheit bietet schlicht mehr Raum für vielfältige Möglichkeiten. Wir beschränken doch unsere Kreativität, wenn wir von vornherein nur bestimmte Sichtweisen und Denkrichtungen zulassen! Wenn wir Offenheit mit Hilfe der meditativen Übung auch in unser Leben transferieren, dann werden wir gewiss auch in unserem Leben kreativer werden. Der zweite Faktor, der über unsere Meditation möglicherweise Kreativität begünstigt, ist die Ruhe und Gelassenheit, in die wir in Meditation finden können. Wir haben Muße und werden dann vielleicht von einer geistigen Muse geküsst. In der Meditation selbst stellen sich mitunter sehr interessante Gedanken und Ideen ein. Das weiß jeder, der schon eine Weile meditiert. Freilich wollen wir uns beim Meditieren nicht in Gedanken verstricken. Manchmal jedoch entfaltet sich ein Gedankenstrom, von dem wir einfach nicht so leicht ablassen können. Vielleicht ist das Thema für uns denn doch so relevant, dass wir es irgendwie einfach nicht zurückstellen können. Und das müssen wir auch nicht … . Manchmal ist dann eben der Gedankenstrom dran. Aus der Ruhe und einer gewissen Offenheit heraus können wirklich bemerkenswerte Gedanken und Ideen auftauchen, Kreatives und Nützliches. Wenn es so ist, dann sollten wir also nicht mit diesem fruchtbaren Gedankenstrom kämpfen. Wir können ihn ja auch einfach nutzen! Dann ist eine Meditation, bei der wir uns nicht in Gedanken verfangen, eben später dran.
Wenn wir mit Hilfe von Meditation offener werden möchten und uns mehr Kreativität wünschen, dann ist eine Meditation hilfreich, bei der wir in einem offenen Gewahrsein verweilen. Kreativität stellt sich unter der Vorbedingung von Offenheit und Ruhe (Muße) von alleine ein. Wir können Meditation insofern auch bewusst zur inneren Klärung bestimmter Fragen nutzen oder zu einer Art Brainstorming zu einem bestimmten Thema. Dazu machen wir einfach die übliche Meditationseinleitung, z. B. über das Gewahrsein des Körpers und des Atems bis hin zu einem offenen Gewahrsein. Wenn wir in eine gewisse Offenheit, Weite und Ruhe gefunden haben, können wir uns unsere Frage oder unser Thema bewusst machen und in diesen offenen Raum sinken lassen. Dann warten wir einfach auf Gedanken und Ideen, die dazu als Antworten in uns aufsteigen. Es ist wichtig, dabei nichts zu forcieren. Wir wollen nicht angestrengt in eine bestimmte Richtung streben. Auch in diesem Kontext ist eine gewisse Absichtslosigkeit gefragt. Statt etwas aktiv bewirken zu wollen, gehen wir eher in eine Art Empfangsmodus. Wir lassen Gedanken ihren freien Lauf, bleiben aber so gut es geht entspannt und anstrengungslos beim Thema. Obwohl es den Anschein hat, als würden wir in einer solchen Meditation die von mir so sehr beschworene Absichtslosigkeit aufgeben, ist dies nicht wirklich der Fall. Tatsächlich geben wir unserer Meditation nur eine Ausrichtung, halten aber darüber hinaus die Absichtslosigkeit aufrecht. Wir streben kein bestimmtes Ergebnis an! Auch bei einer Körperwahrnehmungsmeditation, einer Gehmeditation oder bei jeder Meditation auf ein Objekt geben wir unserer Meditation eine solche Ausrichtung.
6. In Meditation sind (tiefe) Einsichten möglich
Der Begriff Vipassana Meditation bedeutet Einsichtsmeditation. Eine Einsichtsmeditation ist sie deshalb, weil in dieser aufmerksamen, wertfreien und annehmenden meditativen Haltung gerne mal spontane Einsichten auftauchen. Hier verhält es sich in meinen Augen wie unter Nr. 5. ausgeführt. Offenheit und ruhige, wertfreie Betrachtung unserer Erfahrung sind der Nährboden für Einsichten. Achtsamkeit ist der Nährboden! Wir begegnen den Dingen nicht mit einer vorgefassten begrenzenden Meinung, sondern praktizieren eine offene Beobachtung und Wahrnehmung. In diesem offenen Raum, fernab von ausgetretenen Meinungs-Trampelpfaden, sind leichter Einsichten möglich. Eine Analogie: Wenn wir fixiert sind auf ein Problem, glauben wir oft auch, dass die Lösung in einem bestimmten Rahmen läge, der für uns irgendwie zu dem Problem dazu gehört. Tatsächlich finden sich Lösungen aber in aller Regel erst, wenn wir loslassen können und Raum geben. Wenn uns z. B. ein bestimmter Name nicht einfällt, hilft es nicht, verbissen und fixiert in der immer gleichen Richtung weiter zu überlegen. Tatsächlich kommt eine Lösung oder das Gesuchte meist nach einiger Zeit von selbst, wenn wir loslassen. Ebenso gilt: Nur wenn wir alte Wahrnehmungsbrillen ablegen, kann sich etwas Neues offenbaren. Unvoreingenommene ruhige Beobachtung und ein offener Raum reichen aus. Wie Kreativität stellen sich auch Einsichten auf dem richtigen Nährboden von alleine ein.
Interessanterweise zeigen sich unsere zentralen Verhaltensmuster auch im kleinen Rahmen, und somit auch in der Meditation. Im Kleinen können wir insofern das Große erkennen. Wenn man sich in einem MBSR-Kurs (Stressbewältigung durch Achtsamkeit nach Jon Kabat-Zinn) über die Erfahrungen bei einem Body Scan (Körperwahrnehmungsmeditation) austauscht, kann deutlich werden, wie Schwierigkeiten beim Body Scan dem Wesen nach dieselben sind wie andere Schwierigkeiten des Betreffenden in manchen Alltagsbereichen. Manchmal fällt es wie Schuppen von den Augen, dass wir uns ja auch in einem anderen Kontext gleich verhalten und dort dieselben Schwierigkeiten haben. Wir können also auch im kleinen Rahmen einer Meditation zu tiefen Einsichten über unsere allgemeinen Verhaltensweisen gelangen. Ich denke, damit erschließt sich aus dem Gesagten, inwiefern die Vipassana Meditation zurecht diese Bezeichnung (Einsichtsmeditation) trägt. Und darum ist sie eine empfehlenswerte Meditationstechnik, wenn wir per Meditation zu mehr Erkenntnis über uns selbst gelangen möchten. In einer Vipassana Meditation kann sich freilich auch die tiefste Einsicht in unser Selbst, eine Erleuchtung, einstellen. Nach meinem Verständnis muss man dafür allerdings sehr viel loslassen, speziell auch das Konzept von der Vipassana Meditation …
7. Mit Meditation können wir die Verbindung mit uns selbst festigen, bzw. mit unserem höheren Selbst in Verbindung treten. Hier kommt auch die Suche nach Erleuchtung ins Spiel …
Wenn uns daran liegt, wir selbst zu sein und ganz bei uns zu sein, d. h. in Verbindung mit uns selbst, sollten wir dann nicht in uns selbst nach dem Anknüpfungspunkt suchen? Vielleicht sollten wir zunächst in uns danach suchen, wer wir eigentlich sind? Das hieße, dass wir uns in Selbsterforschung und Selbstbeobachtung üben sollten, oder? Es liegt eigentlich auf der Hand. Und doch verhalten wir uns in unserer Kultur vielfach so, dass wir uns gleichsam im Außen suchen. Wer wir selbst sind, definieren die meisten von uns über das, was sie erreicht haben, über den Beruf, über Führungspositionen, Bekanntheit, Status und Statusobjekte. Wie in der Werbung: Mein Haus, mein Pferd, mein Boot … . Was aber, wenn irgendwelche „Katastrophen“ uns diese Dinge nehmen? Wer sind wir dann noch? Wenn unser Selbstbewusstsein und unser Selbstwert sich an äußeren Dingen festmacht, dann zerbricht das zwangsläufig, wenn wir die äußeren Dinge verlieren. Überspitzt formuliert: Gibt es uns dann nicht mehr?
Tatsächlich funktioniert Selbstfindung nach meiner Erfahrung etwas anders. Meditation kann uns bei dieser anderen Art der Selbstfindung und bei der Stärkung unseres Selbstbewusstseins und unseres Selbstwertgefühls unterstützen.
Mit Achtsamkeitsmeditation geben wir uns selbst Zuwendung
Ich habe im ersten Teil meiner Trilogie über Meditation im Zusammenhang mit der Körperwahrnehmungsmeditation Body Scan schon erwähnt, dass ich der Meinung bin, dass diese Art des Sich-selbst-zuwendens ein Akt der Selbstfürsorge ist. Wir erkennen in dieser Achtsamkeitsmeditation an, was körperlich da ist. Was wir wahrnehmen, beispielsweise im Körper, ist im Sinne der Achtsamkeit nie etwas, das falsch oder verbesserungswürdig ist. Es darf so sein, weil es ja ganz real schon so ist! Wir nehmen wertfrei an, was da ist. Tatsächlich nehmen wir auf diese Weise uns selbst an. Auch bei der achtsamen Sitzmeditation (Vipassana) ist das so. Achtsamkeit impliziert de facto eine bedingungslose Annahme seiner selbst. Achtsamkeit richtet sich eben nicht nur nach außen und nimmt die äußeren Erfahrungen wertfrei an. Achtsamkeit wendet sich auch uns selbst zu: Wir nehmen auch uns selbst achtsam an. Wenn wir also so sein dürfen, wie wir sind, dann kann das eine erhebliche Vertiefung der Bindung zu uns selbst sein. Wir gehen nicht mehr wieder und wieder auf Distanz zu uns und kritisieren uns, machen uns Vorwürfe für dies und das. Ja, mit Achtsamkeit, und eben auch mittels formaler Übung per Achtsamkeitsmeditation, vertiefen wir die Bindung zu uns selbst. Wir werden gleichsam einig, bzw. eins mit uns. Das fördert wirklich Selbstsicherheit, Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl.
Die mystische Seite von Meditation: Seelengrund, Erleuchtung, Einssein
Doch wir können mit Meditation noch intensiver auf uns selbst gründen. Es ist ein „Seelengrund“ in uns, wie der mittelalterliche Mystiker Meister Eckhart sagte. Das bedeutet zum einen, dass wir durch unsere Innenschau in der Meditation ergründen können, wer wir selbst wirklich sind. Zum anderen können wir letztlich in diesem Seelengrund ankommen, sogar mystisch eins mit ihm werden. Ja, in Meditation können wir manchmal auch zu mystischen Erfahrungen gelangen. Und letztlich kann in einer Meditation eine Erleuchtung stattfinden – freilich aber auch im Alltag jenseits von Meditation. Es gibt jedoch sehr herausfordernde Hindernisse, die uns von der Erleuchtung fern halten, allen voran unser Ego. In einer mystischen Erfahrung, wie auch ich sie in Meditation schon erlebt habe, kann man zur Erkenntnis gelangen, dass alles eins ist. Wenn wir es weiter denken, bedeutet das, dass es de facto nur uns selbst gibt. In einer mystischen Erfahrung ist das eine ganz reale Erfahrung, ein unmittelbares Wissen. Tatsächlich erfahren wir uns im Alltag jedoch „normalerweise“ als getrennt und einzeln. Wir definieren uns als eine getrennte Entität mit bestimmten Eigenschaften. Es ist genau dies, was uns im wesentlichen von der Erleuchtung fern hält. Man kann sich logischerweise nicht als verbunden und als Alles erfahren, solange man sich als getrenntes und begrenztes Einzelnes versteht. Der große indische Weisheitslehrer und Mystiker Ramana Maharshi verspürte im Alter von 16 Jahren plötzlich Todesängste. Er hatte wirklich den Eindruck, er müsse nun sterben. Ramana fragte sich dann, wer denn da stirbt. Das führte ihn daraufhin zur Erkenntnis, dass das, was er wirklich war, nicht sterben konnte. Er löste sich damit von seiner bisherigen Ich-Vorstellung. Er wurde erleuchtet.
Selbsterforschung
Die zentrale Botschaft in Ramana Maharshis Lehren war die Aufforderung zur Selbsterforschung. Sich die Frage stellen „Wer bin ich?“. Dazu muss man kein Mystiker sein. In jeder Meditation ist es möglich, zu beobachten und wahrzunehmen, was wirklich da ist, vorausgesetzt wir können vorgefertigte Ansichten und Denkweisen loslassen. Um sich die Frage „Wer bin ich?“ zu stellen, muss man noch nicht einmal meditieren. Was ist dieses „Ich“, auf das wir uns gemeinhin beziehen, wirklich? Ist es immer da? Nun, was wir sind, muss ja permanent da sein, sonst können wir es schwerlich wirklich sein.
Die Hingabe des Ichs
Meine eigene mystische Erfahrung in der Meditation weist in ihrem Zustandekommen eine Ähnlichkeit mit Ramana Maharshis Erfahrung auf. In der Meditation befielen mich plötzlich ebenso Todesängste. Da ich aber gleichzeitig schon intensive Freude und Glück verspürte, konnte ich die Bereitschaft aufbringen, weiter zu gehen, mich einzulassen und notfalls zu sterben. Auch das war eine Hingabe des Ichs. Und es war der eigentliche Schlüssel zur Tür der mystischen Erfahrung. Anders als bei Ramana kam bei mir das separierende Ich-Empfinden nach der Erfahrung wieder zurück.
Hindernisse und Schlüssel auf dem Weg zur Erleuchtung
Ichhaftigkeit und Hingabe
Es geht an dieser Stelle um Meditation im Zusammenhang mit dem Weg zur Erleuchtung und ich möchte erklären, welche verschiedenen Aspekte dabei von Bedeutung sein können. Den zentralen Aspekt habe ich angeführt, unsere Ichhaftigkeit. Es geht allerdings nicht darum, das Ich loszuwerden indem wir es bekämpfen. Es geht vielmehr darum, ihm keine Bedeutung zu geben und sich schlicht kraft unserer Erfahrung und besseren Wissens von falschen Vorstellungen zu lösen. Wenn wir etwas bekämpfen, geben wir ihm Bedeutung. Wir bauen es auf indem wir es fokussieren und bewerten. Ein anderer Schlüssel als die Einsicht hat sich seit alters her allerdings für viele als leichterer Zugang und Hilfe bei der Überwindung der Ichhaftigkeit erweisen: Hingabe. Hingabe wird beispielsweise in der Bhagavadgita (alte, bedeutende Schrift des Hinduismus) so häufig angeführt, dass man regelrecht von einem zentralen Schlüssel sprechen kann. Und natürlich ist auch die christliche Nächstenliebe eine Form der Hingabe. Der Begriff „Islam“ bedeutet übrigens ebenfalls Hingabe. Wenn wir uns etwas hingeben, ordnen wir uns dem unter und geben uns ganz hinein. Es geht dann in keiner Weise mehr um irgendeine Ich-Profilierung. Hingabe gelingt uns beispielsweise im Flow, wenn wir einfach nur selbstvergessen bei der Sache sind, ohne von einer Absicht getrieben zu sein. Echte Hingabe ist denn auch keine Mühe, sondern erscheint ganz natürlich, so wie im Flow. Wenn es um Meditation im Zusammenhang mit Erleuchtung geht, dann ist klar, dass Hingabe in der Meditation nur in Erscheinung tritt, wenn wir alle Hintergedanken loslassen können und absichtslos meditieren. Sich begeistern an der Meditation, Meditation als Selbstzweck. Manchmal mache ich Meditationen, in denen ich mich regelrecht von dem, was auftaucht, führen lasse. Sich dem inneren Fluß der Energien hingeben. Wo will es lang? Wie will die Energie fließen? Und dann versuche ich, dem Raum zu geben. Auch für die Gehmeditation habe ich ja schon beschrieben, wie man sich in ähnlicher Weise von seinen Impulsen führen lassen kann, sich quasi davon leiten lassen kann: Wo will es mit mir lang? Mit dieser Haltung unterstellen wir uns etwas anderem als unserer Ichhaftigkeit. Das fördert Hingabe und Absichtslosigkeit.
Der weglose Weg
Ein Fallstrick auf dem Weg zur Erleuchtung ist sicherlich der vermeintliche „Weg“. Es gibt gar keinen Weg. Die Aussage ist nur eine unzureichende Beschreibung. Die Erfahrung von Erleuchtung ist möglich, wenn wir uns fallen lassen in „etwas“, das wir schon sind. Es gibt gar keine wirkliche Wegstrecke dorthin, keine Entfernung! Wenn wir von einem Weg reden, dann schleicht sich die Vorstellung ein, es gehe irgendwie an einen anderen Ort, an dem wir nicht sind. In dieser Sichtweise tun wir so, als sei Erleuchtung etwas, das wir uns erarbeiten müssen oder etwas, was jenseits unseres momentanen Daseins zu finden ist. Es ist noch nicht da und hat mit uns hier und jetzt scheinbar nichts zu tun. Tatsächlich ist das, was uns erleuchtet, unser wahres Selbst. Da ja aus mystischer Sicht alles eins ist, sind wir grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt, selbst wenn wir glauben ganz von der Rolle zu sein, mit diesem Selbst verbunden. In der Tat kommt die Erleuchtung von „etwas“, das wir immer schon sind und ist in Wirklichkeit näher als nah. Die Vorstellung von einem Weg und die Idee, es ginge um irgendwas, das irgendwo anders oder auf einer höheren Stufe zu finden ist, ist demzufolge nicht hilfreich. Für die Meditation bedeutet das, dass es gerade nicht darum geht, irgendwo hin zu gelangen oder etwas zu erreichen. Achtsamkeit! Wir bleiben da, wo wir sind. Und so geht es also vielmehr darum, loszulassen von allen möglichen Vorstellungen und Konzepten. Uns sinken lassen in den von Meister Eckhart so genannten „Seelengrund“. Dieser Seelengrund ist übrigens kein Etwas, das man fassen und vermessen könnte! Er ist grenzenlos wie das Universum. „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt“, sagte Jesus Christus. Reich sind wir, wenn wir vermeintlich eine Vielzahl von Eigenschaften oder Errungenschaften besitzen, über die wir uns definieren. Ein Reichtum an begrenzten Vorstellungen, Konzepten und vermeintlichem Wissen blockiert das Tor zum Himmel(reich) in uns, bzw. zur Erleuchtung. Loslassen!
Verbundenheit, Einheit und äußere Lebensumstände
Die unio mystica einer mystischen Erfahrung ist die Bewusstwerdung, dass alles eins ist – tatsächlich schon immer. Das Bewusstsein der Einheit zeichnet Erleuchtung aus. Einheit setzt der Illusion der Getrenntheit ein Ende. Das Thema Verbundenheit wird damit zu einem wesentlichen Aspekt auf dem „Weg“ zur Erleuchtung. Zur Zeit als ich meine mystische Erfahrung in Meditation erlebte, waren meine Lebensumstände nach meinem Empfinden (weitestgehend) harmonisch. In meinem damaligen Freundeskreis fühlte ich mich harmonisch eingebunden. Ja, es gibt auch äußere Umstände, die unsere Meditationserfahrung fördern können! Harmonische Lebensumstände gehören dazu. Soziales Empfinden und echtes soziales Engagement sind zudem selbstverständlich förderlicher für das Pflegen der Empfindung von Verbundenheit und Harmonie als sich egozentriert als Einzelkämpfer in einer Ellenbogengesellschaft zu wähnen und ständig nur den eigenen Profit zu suchen. In die Einheit kommen wir übrigens nur über den Vollzug des Einsseins. Nur Einssein ist letztlich Einssein, weshalb es auch keinen Weg zur Einheit gibt. Der Weg zur Einheit kann immer nur der Weg zur Einheit sein, nie die Einheit selbst.
Anspannung – Entspannung
Auch körperliche und psychische Entspannung kann hilfreich sein. Bei Entspannung geht das Körperliche gewiss mit dem Psychischen Hand in Hand. In meiner Meditation mit der besagten Erfahrung habe ich meine Aufmerksamkeit auf Verspannungen und Angespanntheit in meinem Körper und meiner Psyche gerichtet. Ich habe damit experimentiert, wie ich vielleicht, Anspannung für Anspannung loslassen könnte. Es gelang mir Zug um Zug in eine entsprechende entspannte Haltung zu finden. Aus der tiefen Entspanntheit entwickelte sich dann allmählich alles weitere. Wenn wir entspannen, lassen wir los von fixen Strukturen, die wir in uns aufgebaut haben. Wenn wir entspannen, lösen sie sich quasi in nichts auf. Entspannung können wir nicht zustande bringen, sondern sie kommt zustande durch Loslassen. Auch in dieser Hinsicht erweist sich also, dass Meditation im Zusammenhang mit „Erleuchtung“ immer ein ständiges Loslassen ist.
Bei Erleuchtung geht es nicht um Erleuchtung!
Zu guter Letzt kann auch die Idee von der Erleuchtung selbst ein Hindernis für die Erleuchtung sein. Ich habe diesen Begriff hier mangels eines besseren häufig verwendet. Wer nach Erleuchtung strebt, tut es oft auf dieselbe Weise wie wir im Alltag nach allem möglichen streben. Erleuchtung ist dann einfach eine weitere Trophäe im Zusammenhang mit dem Trieb unseres Egos, etwas für sich erreichen zu wollen. Sprich: Wir legen dasselbe egogetriebene Gehabe an den Tag, wie sonst auch. Es ist besser, sich von dem Begriff „Erleuchtung“ und gewissen Sichtweisen, die sich mit ihm allzu leicht vermengen, zu verabschieden. Nein, es geht nicht um die nächste Trophäe oder den großen Preis, sondern um das simple Ankommen bei uns selbst in totaler Einfachheit. Raus aus dem ganzen Wust des Erreichen-Wollens und Besitzen-Wollens! Es gleichsam Ausstoßen mit der Ausatmung und ankommen in einer genügsamen Schlichtheit: Ja, einfach nur ich selbst sein (dürfen). Wie schon gesagt, Meditation ist so gesehen kein Mehr, sondern ein Weniger. Wir entledigen uns all dessen, was wir im Kern eigentlich nicht wirklich sind und wir hören auf zu bewerten, ganz getreu der Achtsamkeit. Bewerten ist nichts anderes, als die eigentliche Einheit wieder und wieder geistig zu trennen.
Wenn wir Meditation als einen „Weg“ zur Erleuchtung verstehen und wenn es uns somit um die Verbindung, ja Vereinigung mit unserem innersten, sogenannten „höheren“ Selbst geht, dann sollte unsere Meditation nicht das Managen eines kontrollierenden Ichs sein, das darum bemüht ist, Erfahrungen anzunehmen oder gar die nächste Trophäe namens „Erleuchtung“ einzuheimsen. Diese Haltung ist durch und durch dualistisch. Um was mehr sollte es gehen, als einfach nur beim eigenen simplen Dasein anzukommen? Da geht es dann auch nicht mehr darum, zielgerichtet eine Meditationstechnik auszuführen. Meditation wird so zum großen Loslassen von jedweden Konzepten. Selbstvergessenheit und Hingabe rücken in den Vordergrund. Meditation wird zu schlichtem Sein, ohne zu glauben, dass wir Sein irgendwie machen müssen. Denn das wäre absurd.
Stille
Eine Meditation, die diese unter Nr. 7 genannten Aspekte integriert und zu einem bloßen absichtslosen Verweilen in der „Stille“ oder in natürlichem Dasein wird, gelingt eher mit einer gewissen Erfahrung mit Meditation. Es sollte vielleicht schon eine gewisse Fähigkeit gereift sein, ganz natürlich mit all dem, was in einer Meditation oder in der Umgebung des Meditierenden auftaucht, offen, aber irgendwie auch „unberührt“ sein zu können. Eine solche Meditation eines erfahrenen Meditierenden braucht denn auch keine längere formale Einleitung mit Ausrichtung auf den Atem oder Ähnliches. Sie ist ohne große Umschweife ein einfaches hingebungsvolles Einsinken in diese ungreifbare friedvolle „Stille“, in der von ganz allein gewisse Wendungen oder Richtungen auftauchen mögen, von denen wir uns führen lassen können. Wir merken dann, dass irgendwas gerade besonders stimmig ist, dass dabei Entspannung auftritt oder dass dabei ein Glücksgefühl auftaucht. Warum sich dem nicht einfach spielerisch hingeben? Diese Wendungen können uns tragen, wenn wir uns tragen lassen.
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