Lebenspraxis | Ein Einsichts- und Lebenserfahrungs-Blog zu Achtsamkeit
Achtsamkeit gegenüber uns selbst: Einzig oder artig
Jeder Moment ist einzigartig. Jede Erfahrung ist einzigartig. Jeder Mensch ist einzigartig. Es ist tatsächlich so. Genetisch sind wir absolut unterschiedlich. Sogar die Strukturen unseres Gehirns unterscheiden sich ein wenig, erst recht die im Gehirn angelegten Verknüpfungen. Jeder sieht die Welt mit eigenen Augen, jeder sieht überhaupt eine andere Welt. Wenn wir achtsam sein möchten, ist es wichtig, dass uns diese Realität bewusst ist. In einem achtsamen Umgang miteinander ist es besser, wenn wir auf gutgemeinte Ratschläge verzichten können eingedenk dessen, dass niemand etwas auf dieselbe Art und Weise tun kann wie ein anderer. Was für den einen der richtige Weg zum Ziel ist, kann für einen anderen ein Irrweg sein. Im achtsamen Miteinander kann es nur darum gehen sich dabei zu unterstützen, den eigenen Weg zu erkennen und herauszufinden, wie ich etwas auf meine Weise bewerkstelligen kann. Zu sein, wer man ist, ist heutzutage oft kein leichtes Unterfangen.
Eine Rose ist keine Lilie
Warum sollten wir überhaupt unsere Einzigartigkeit leben? Tatsächlich leben viele Menschen sogar recht wenig ihre Einzigartigkeit. Sie machen es zur Privatsache, allenfalls also zu einer „Freizeitaktivität“. Die meiste Zeit ihres Lebens verbringen viele Menschen damit, einen zeitlich raumgreifenden Beruf auszuüben, den sie wenig lieben und in den sie ihre Einzigartigkeit herzlich wenig einbringen können. Das ist kein Vorwurf, nur eine Feststellung. In meiner eigenen beruflichen „Karriere“ habe ich mich selbst über Jahrzehnte in einem beruflichen Fahrwasser bewegt, in dem ich so gut wie keine Möglichkeit hatte, zum Ausdruck zu bringen, was mir wichtig ist, was für mich lebenswert ist. In einem interessanten TEDx-Vortrag kommt denn auch John J. Scherer zu folgendem Statement: „A mid-life crisis is when you get to the top rung of the ladder and realize you leaned it against the wrong wall.“ (Eine Mid-Life-Krise ist, wenn Du auf der obersten Sprosse der Leiter ankommst und erkennst, dass Du sie an die falsche Wand angelehnt hast.) Es ist besser seine Einzigartigkeit zu leben, weil wir dadurch ein erfüllteres Leben leben können. Wir können dann spüren, dass wir in dem, was wir tun, in Einklang mit uns selbst sind. Glauben Sie mir, die Bestimmung einer Rose ist es nicht, eine Lilie zu sein. Ich denke, wir sollten, wenn es darum geht unserer innewohnenden Natur zu entsprechen, unseren Beruf nicht außen vor lassen. Immerhin verbringen wir dort in der Regel die meiste Zeit. Wie man hört, ändert sich hier etwas: Die junge Generation versucht wohl mehr denn je ihr Leben mit den eigenen Werten in Einklang zu bringen.
Selbstausdruck mit Hindernissen
Gerade die etwas älteren Generationen können ein Lied davon singen, wie sehr andere Kriterien als die eigene Natur früher das berufliche Werden bestimmt haben. Seien es die Vorstellungen der Eltern, seien es monetäre Aspekte, sei es Statusdenken und Normen nach denen man gewisse „brotlose Künste“ nicht ausüben sollte, usw.. Nicht zu vergessen auch die Unterscheidung nach Männerberufen und Frauenberufen. Und heute? Der Spielraum, den es braucht, um Berufe auszuüben, die nicht viel Einkommen einbringen, wird immer geringer. Sich selbständig machen mit seiner Herzenssache? Der „Markt“ hat sich verkleinert, weil sich das verfügbare Einkommen verringert hat, mit dem die breite Masse sich Dienstleistungen einkaufen kann. Wie viele Geschäfte werden eröffnet und gehen alsbald wieder ein? Sich beruflich zu verwirklichen fernab des Mainstreams und gutgemeinter Ratschläge braucht überdies sehr viel Mut und Durchhaltevermögen. Zudem gibt es heute auch massive Formen der Nötigung. Wer arbeitslos wird, hat Mühe, sich seine Würde zu bewahren, denn das Amt drängt und droht, damit einfach irgendein Job angenommen wird. Das Wesen eines Menschen, seine eigentliche Einzigartigkeit, die er zum Nutzen aller in die Gesellschaft einbringen könnte, interessiert dabei kaum mehr. Man könnte dazu noch vieles schreiben …
Achtsamkeit. Einzigartigartigkeit und Verbundenheit.
Achtsamkeit würdigt Einzigartigkeit, ebenso wie sie Verbundenheit würdigt. Das, was ist, zählt, nicht das, was vermeintlich sein sollte. In einem MBSR-Kurs kommt es oft zu sehr wahrhaftigen Moment, in denen Menschen deutlich wird, wie sehr wir uns bei aller Einzigartigkeit auch ähnlich sind. Es wird greifbar, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat. Verbundenheit und Mitgefühl können erlebt werden. Verständnis füreinander macht sich breit. Ich würde mir wünschen, dass sich wieder mehr Verbundenheit in der Gesellschaft breit macht. Ich wünsche mir, dass sich Menschen nicht mehr den Sachzwängen des Sytems und der Arbeitswelt unterzuordnen haben, sondern dass das System und die Arbeitswelt genügend Raum für die Menschen hat und sich ihren Bedürfnissen anpasst. Denn: Was ist eine Gesellschaft? Wie sieht ein menschengerechtes (Arbeits-)Leben aus? Einzig sein können, statt artig sein zu müssen …
Wer bin ich?
Wenn wir achtsam gegenüber uns selbst sein möchten, stellt sich die Frage nach unseren ureigenen und innigsten Bedürfnissen. Wer bin ich denn als diese Person? Wo will ich eigentlich wirklich lang? Was sind meine persönlichen Werte, die mir wichtig sind? Ich denke, bei vielen Menschen herrscht hier große Unklarheit. Gleichwohl kann man sich darüber Klarheit verschaffen und es ist gar nicht so schwierig. Mittelfristig werde ich dazu übrigens Unterstützung in Form einer Beratung anbieten. Weitaus schwieriger empfinde ich persönlich die Anschlußfrage „Wie kann ich meine Bedürfnisse und Werte in meinem Leben verwirklichen?“
Keime und Wachstumskrisen
Wir sind, wie wir sind, und deshalb lassen sich diese zentralen Lebensfragen nicht dauerhaft außen vor halten. Unser Wesenskern wird immer nach Selbstausdruck streben, wie der Same sich entfaltet und in die Pflanze hinein wächst. Und so kommt es dann manchmal zu Lebenskrisen, wenn wir allzu sehr auf Abwege geraten sind. Vielleicht ist es die Mid-Life-Krise, die uns dann heimsucht.
Unser Leben ist unsere Botschaft
Wenn wir Klarheit über unser einzigartiges Wesen haben, können wir dennoch bei unserer Selbstverwirklichung in die Falle tappen. Wir planen nur allzu gerne. Es ist das, was wir gelernt haben, darüber, wie das Leben vermeintlich anzugehen ist. Ein Plan, ein Weg, auf das Ziel zusteuern. Was sich gut anhört, hat einen Haken. Die Lebendigkeit kann uns dabei abhanden kommen und unser ersehnter Selbstausdruck gerät zu hölzern. Unsere Authentizität leidet, wenn wir glauben, dass wir das, was wir im Grunde schon sind, gemäß einem Konzept umsetzen müssten. Machen-Wollen, was wir wir ja schon in uns tragen, ist etwas anderes als es einfach zu sein. Es macht einen Unterschied, den andere wahrnehmen. Das Leben ist keine Aufgabe, auch wenn mancher Esoteriker das so sehen mag! Sein ist! Den eigenen Selbstausdruck zu leben ist obendrein selbstbelohnend. Wir müssen es nicht tun, um irgendeinen Erfolg zu haben. Der Erfolg ist schon, es zu leben. Kein „um zu“, Selbstzweck. Seien wir uns einfach nur bewusst: Unser wahrer Selbstausdruck ist einfach nur zu sein, wie wir es lieben. Ohne Plan in dem aufgehen, was für uns eine Herzenssache ist. Es lieben, während wir es tun.
Für Schwule und Lesben ist dieser Song eine Hymne, aber nicht nur sie lieben ihn …
I am what I am
I don’t want praise, I don’t want pity
I bang my own drum
Some think it’s noise, I think it’s pretty
And so what if I love each sparkle and each bangle
Why not try to see things from a different angle
Your life is a sham
Till you can shout out
I am what I amI am what I am
And what I am needs no excuses
I deal my own deck
Sometimes the aces sometimes the deuces
It’s one life and there’s no return and no deposit
One life so it’s time to open up your closet
Life’s not worth a damn till you can shout out
I am what I am
….
(Auszug aus „I am what I am“ in der Version von Gloria Gaynor)
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